Presse Theodorakis

Juli 2012 in Bad Bevensen

»Brilliante Canto General Aufführung

Open-Air-Highlight im Kurpark Bad Bevensen

Die ganz große Gefühlsskala gab es in diesem Konzert zu durchmessen: Durch Verzagung, Hoffnung und Zuversicht führte die Musik, donnerte der wortgewaltige Text. Es gibt wohl kaum ein künstlerisches Werk, das so symbiotisch weltumspannend, so internationalistisch das Thema des Kampfes gegen Unterdrückung, Diktatur und Ausbeutung vereint wie der "Canto General". Die Verse des Chilenen Pablo Neruda und die Noten des Griechen Mikis Theodorakis verbindet eines jenseits aller individuellen Sozialisierung oder geografischen Unterschiede: Die Auffassung, dass Oben und Unten nirgendwo auf der Welt zu vereinen sein werden.

 

Die Städtische Cantorei Lüneburg war mit diesem grandiosen Werk im Kurpark zu Gast. Der Auftritt kann nach dem Titel in seiner Qualität nur "großer Gesang" genannt werden. Unter der Stabführung einer umsichtigen Birgit Agge kannte der Chor keine Schwäche, musizierten Mitglieder des Niedersächsischen Bach-Collegs punktgenau und standen mit Julia Schilinski (Alt), Matthias Lüderitz (Bariton) und Rolf Becker (Lesung) Künstler auf der Bühne, die sich völlig in den Dienst der Sache zu stellen wussten.

 

Der Sprecher bändigte die Gewalt der Sprache, dass deren bildreiche Poesie greifbar wurde und fassbar blieb. Die Altistin brachte das perfekte Timbre und ein wunderbares Temperament mit; stimmlich schwebte sie mühelos über der großen Kulisse aller Sänger. Ihr Baritonkollege füllte seinen Part souverän.

 

Melodien voller Lebensfreude wechseln ab mit Noten großer Trauer; dissonante Schreie, die die Entrechtung der Völker beklagen, die auch im Moll einen Sog von ungeheurer Kraft besitzen. Erschütternd in einer Monumentalität, die immer anrührt, nie erschlägt. Getragen, fast wie ein Gebet, die Anklage, der Ruf nach Gerechtigkeit. An anderer Stelle heiter, spöttisch fast, in der Überzeugung: Es wird, es kann nicht so bleiben. Die Geschichte wird am Ende andere Worte finden, Zweifel wird nie in Verzweiflung verharren, weil "die Wahrheit, hart wie eine Pflugschar, an die Türen zu rütteln in der Lage ist mit zerschundenen Händen".

 

Im Jahr 1971 haben sich Neruda und Theodorakis in Paris getroffen. Chile versuchte damals mit der Unidad Popular den Weg in eine gerechtere Gesellschaft. Zwei Jahre später ist der Literaturnobelpreisträger tot, gestorben wenige Tage nach seinem Freund Salvador Allende, der Pinochets Putsch des 11. September nicht überleben wollte. Theodorakis Musik war in Griechenland da noch verboten.

 

Die Aufführung des "Canto General" steht heute in Hellas nicht mehr unter Strafe; geändert hat sich die Welt nicht. "Widerstehen Sie der Totalitarisierung der Märkte!", rief der bald 87-jährige Musiker vor einem Jahr allen Europäern zu. Er hat den Kampf nicht aufgegeben.

 

Der Beifall nach zweieinhalb Stunden Konzert war in Bad Bevensen lang anhaltend.

«

 

© Text W. Weiler | © Fotos J. Rufenach auf www.bad-bevensen-tourismus.de